Wir beobachten mit großer Sorge die aktuellen Entwicklungen in Georgien (Sakartvelo) im Hinblick auf die Situation von LSBTIQ* Personen. Ein trauriger Höhepunkt waren die Angriffe auf die diesjährige Pride in Tbilisi am 08.07.2023. Umso mehr erstaunt uns die von der Bundesregierung geplante Einstufung Georgiens als sicherer Herkunftsstaat.
Am 07.08. diesen Jahres wurde der fünfzehnte Jahrestag des russländischen Angriffs auf Georgien im Jahr 2008 begangen. Georgien befindet sich in Südossetien und Abchasien immer noch unter russländischer Besatzung. Es gibt zahlreiche Binnenflüchtlinge, die zum großen Teil unter katastrophalen humanitären Bedingungen leben. Von russländischer Seite gibt es immer wieder Drohungen, Südossetien und Abchasien zu annektieren. Die Folgen des Krieges und der Besatzung reichen bis nach Deutschland, wie sich an der Ermordung des Georgiers Selimchan Changoschwili am 23.08.2019 im Kleinen Tiergarten im Auftrag staatlicher russländischer Stellen zeigt. Schon aus diesem Grund verbietet sich eine Einstufung Georgiens als sicheres Herkunftsland.
Die Regierungspartei “Georgischer Traum” orientiert sich dabei immer weiter in Richtung Russland. Sinnbildlich dafür war die geplante Einführung eines Gesetz über sogenannte “ausländische Agenten”, welches allerdings aufgrund erheblicher gesellschaftlicher Proteste nicht zustande kam. Es gibt auch Bestrebungen, ein Gesetz zum Verbot von sogenannter “LGBT-Propaganda” nach russländischem Vorbild einzuführen. Was sich hierbei abzeichnet, ist die Entstehung einer sogenannten Stabilokratie, bei der der Westen politische Stabilität durch ein autoritäres Regime vor demokratischen und liberalen Reformbewegungen bevorzugt, um vermeintlich politisches Chaos zu vermeiden. Wie sehr diese Strategie fehl geht, zeigt sich nicht zuletzt an der jahrzehntelangen Hofierung des russländischen Regimes, die letztlich im großangelegten Angriffskrieg gegen die Ukraine mündete.
Trans- und Homophobie ist in Georgien trotz der grundsätzlichen Orientierung in Richtung EU ein großes gesellschaftliches und politisches Problem. 75 % der georgischen Gesellschaft sind laut Umfragen gegen die Einführung einer gleichgeschlechtlichen Ehe. Es bestehen Probleme beim Zugang zu medizinischer Versorgung für LSBTIQ* Personen. Darüber hinaus kommt es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen, insbesondere bei Pride-Veranstaltungen. In den Jahren 2019, 2021 und in diesem Jahr mussten die Veranstaltungen aufgrund von gewaltsamen Gegenprotesten rechtsgerichteter Organisationen abgesagt bzw. abgebrochen werden. 2021 kam es sogar zum Tod eines Kameramanns. Eine interne Fluchtmöglichkeit besteht dabei für LSBTIQ* Personen gerade nicht. Der georgische Staat ist auch nicht willens und in der Lage, LSBTIQ* Personen hinreichenden Schutz zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Land schon dann nicht zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt werden, wenn dort Angehörige nur einer bestimmten Gruppe verfolgt werden. Dies ist angesichts der umfassenden systemischen Mängel im Hinblick auf LSBTIQ* Personen der Fall,.