Broschüre
Die Situation von LGBTQ*-Personen in den Staaten der ehemaligen UdSSR, 2021
Die Situation von LGBTQ*-Personen in den Staaten der ehemaligen UdSSR, 2021
Wir freuen uns sehr, Ihnen diese neue Ausgabe der Publikation über das LGBTQ*-Leben in den Ländern der Ex-UdSSR zu präsentieren. Die erste Version dieser Broschüre wurde vor neun Jahren, im Jahr 2012, veröffentlicht. Damals sahen wir einen großen Bedarf an solchen Informationen. Schließlich gibt es nicht viel, was ein*e internationale*r Leser*in über die Situation von queeren Communities in Armenien, Aserbaidschan, Kirgisistan und anderen postsowjetischen Räumen finden kann. Man kann etwas über queeres Leben in den westlichen Ländern des ehemaligen Sowjetimperiums finden, wie z.B. der Ukraine, Belarus oder Litauen. Aber über den Kaukasus und Zentralasien ist kaum etwas zu lesen. Man könnte versucht sein, zu denken, dass es dort überhaupt kein queeres Leben und keinen Aktivismus gibt. Und das wäre furchtbar falsch. Wie diese Publikation zeigt, leben und lieben in all diesen Ländern LGBTQ*-Menschen und kämpfen für ihre Rechte.
Wir wollen nicht für die queeren Communities in allen 15 Ländern sprechen, sondern geben ihnen Raum, für sich selbst zu sprechen. Alle Artikel in dieser Ausgabe, bis auf einen, sind von Vertreter*innen der queeren Communities in den jeweiligen Ländern geschrieben. Wir finden, dass dies richtig ist, und sind sehr froh, dass es uns gelungen ist, authentische Stimmen zu sammeln.
In den neun Jahren hat sich vieles verändert. Zum einen gewinnen die Communities an Stärke und ihre Forderungen sind immer schwerer zu ignorieren. Neue einflussreiche queere Medien entstehen, wie in Belarus oder Russland, und lassen neue LGBTQ*-Perspektiven entstehen, bilden Meinungen und fördern Communities. Queere Meinungsmacher*innen verschaffen sich Gehör und Wertschätzung. Unsere Agenda erscheint auf den Straßen und im öffentlichen Raum. In der Ukraine werden zum Beispiel Equality Marches in den Großstädten zur Tradition.
Gleichzeitig wächst aber auch der Widerstand von konservativer Seite. Nach wie vor instrumentalisieren die politischen Parteien Homophobie, 9
um ihre politischen Ziele zu erreichen. Eine neue gesetzgeberische Mode breitet sich schnell aus: In den letzten Jahren haben mehrere Länder, darunter Armenien, Georgien, Kirgistan und Russland, ihre Verfassungen dahingehend geändert, dass eine Ehe als Zusammenschluss „zwischen einem Mann und einer Frau“ definiert wird, was die Ehe für alle effektiv verbietet. Kurioserweise versuchen einige Länder wie Armenien, auf zwei Stühlen gleichzeitig zu sitzen, und gleichgeschlechtliche Ehen zu akzeptieren, wenn das Paar im Ausland geheiratet hat.
Eine weitere beliebte Waffe der Anti-LGBTQ*-Propaganda in den Ländern der Ex-UdSSR ist die Markierung von Queerness als etwas Fremdes, Nicht-Zugehöriges, das aus dem Westen importiert wurde, um die lokale Gesellschaft zu destabilisieren. Diese diskursive Taktik nutzen u.a. konservative Gruppen in Georgien, Armenien, der Ukraine und Russland. Turkmenistan treibt dies auf die Spitze: Dort wird behauptet, es gäbe gar keine queeren Menschen im Land.
Ein Ziel dieser Broschüre ist es, diesen grausamen Behauptungen entgegenzuwirken. Queere Menschen leben und kämpfen überall in der Ex-Sowjetunion. Wir sind Teil unserer Gesellschaften und wir gehen nicht weg.
Broschüre ist in den Bibliotheken erhältlich.
ISBN 978-3-00-068446-3